Essay

"ZEUGE DER WAHRHEIT"

Zeitgenössischen Tanz / Tanztheater (Jasmin Osmanagić)
Dokumentation die Wahrheit zu sagen von: Elhad Karadžić

Essay (Idee)

Als kleine Kinder haben wir gerne und oft gespielt. Als Beweis dafür, dass wir  auch beim spielen den Ernst nie vergessen haben oder zumindest jemanden nicht betrügen wollen, hatten wir eine ganz genaue Vorstellung  : “Tita mi“ (ich schwöre im Namen des Tito). Ich weiß bis heute nicht wieso wir uns damit zufrieden geben konnten.
 
Einige Jahre danach, am 04.05.1980 starb Josip Broz, genannt Tito.
 
Für uns alle war das fast unglaublich: der Präsident Josip Broz Tito, ein in unseren Augen Unsterblicher ist doch gestorben!! Wir alle haben geweint! Die ältere Leute haben geflüstert: “Wer soll auf uns jetzt aufpassen? Wer wird sich um uns kümmern??“ Ich habe diese Sorgen nicht verstanden; aber keiner hat mich um meine Meinung gefragt! Ich war auch sehr traurig und ich habe auch geweint. Ich war so großgezogen und bin stolz darauf ein Teil dieser Gemeinschaft gewesen zu sein. In der Gemeinschaft der “Brüderlichkeit und Einheit“ in der das an erster Stelle gestanden hat. Hier in Stuttgart (wo ich momentan lebe) habe ich einen Freund (Elhad Karadžić) getroffen, der aus einer kleinen Stadt im Westen Bosniens ca. 200 km von Sarajevo entfernt kommt. Durch unsere langen Gespräche hat sich nun bestätigt: “Wir alle haben an dasselbe geglaubt – an  die Brüderlichkeit und die Einheit, vor allem aber unserem Präsidenten Josip Broz Tito.“ Des Weiteren hat Elhad mir seine Lebensgeschichte anvertraut. Ein Teil der Geschichte entspricht der Geschichte jedes Flüchtlings (somit auch meiner); ein Teil der Geschichte ist aber so grausam, dass man dies keinem seiner Feinde wünscht.

Elhad’s Lebensgeschichte nach der fröhlichen und unbeschwerten Kindheit

1984.

Elhad nimmt am Militärdienst der JNA (die Bundeswehr von Jugoslawien) teil im Zeitraum von 15 Monaten in der Stadt Knin im heutigen Kroatien. Wie alle damaligen Patrioten trägt Elhad stolz seine Militäruniform und legt einen Eid für die Integrität und die Interessen von Jugoslawien zu verteidigen! Der Eid war nur eine Formalität in dieser Zeit - denn  jeder Soldat (aber auch jeder Einwohner),  würde sein Leben opfern, um die Interessen des Staates zu schützen. Serben, Kroaten, Muslime, Roma, Albaner und Juden: in der Armee waren Soldaten der verschiedenen Nationalitäten zusammen. Sie glaubten, dass es keinen Unterschied zwischen Ihnen geben würde. Alle waren wie Brüder, noch heute erinnert sich  Elhad, wie er mit seinen Freunden (Igor, Slaven...) die Kuchen die seine Mutter ihm geschickt hatte bis zum letzten Stückchen geteilt hatte.
 
Identische Erinnerungen habe auch ich aus  meinem Militärdienst 1981 in Danilovgrad (im heutigen Montenegro).
 
Elhad hat seine Zeit bei der  Bundeswehr genossen, vor allem  aber die Wachdienste. Dabei hatte er sich verantwortlich gefühlt und war bereit sein Leben für “die Brüderlichkeit und die Einheit“ zu geben. Bei seinen  Nachtdiensten hatte er auch noch genug Zeit in Ruhe einen Brief  über seine Überlegungen an seine Mutter zu schreiben.
 
Brief an Mutter:
 
Liebe Mutter! Ich bin auf der Wache. Es geht mir gut. Ich habe Freunde aus den verschiedensten Ecken Jugoslawiens gefunden und ich kann dir sagen, dass wir alle eine Einheit sind. Einer meiner besten Freunde kommt aus Belgrad. Er heißt Igor. Ich mag ihn wie meinen Bruder. Das Paket, dass du mir geschickt hast, habe ich mit ihm geteilt. Natürlich habe ich das Paket auch mit anderen Genossen geteilt. Begeistert war er von deinem Kuchen - Baklava.
Unser Kommandant "Major Miletić" ist sehr streng, aber fair. Wir müssen auf ihn hören und von ihm lernen, wie man ein Patriot werden muss. Ich sah gerade im Fernsehen einen Dokumentarfilm des Zweiten Weltkriegs. Über den Holocaust, wenn du weißt, was das ist?
 
Das war ein systematischer Völkermord, der 6 Millionen europäischer Juden während des National-sozialismus in Deutschland organisiert getötet hat. Der Begriff Holocaust bezieht sich auch auf die systematische Vernichtung des Judentums und Juden im nationalsozialistischen Deutschland. Sie töteten Sinti und Roma, Behinderte, Homosexuelle, Polnische Intellektuelle, Sowjetische Kriegsgefangene und Mitglieder der slawischen Völker. Ach mein Gott , das darf nie wieder passieren. Übrigens, auch unser Major Miletic sagt, so etwas könne bei uns nie passieren. Wir haben die JNA und sogar ich (als Teil dessen) erfülle sorgfältig alle meine Aufgaben. Unsere Armee ist in der Lage jeden Quadratmeter dieses wunderbaren Landes zu verteidigen, als auch jeden einzelnen Menschen aus Jugoslawien. Er sagt immer, keinem dürfe auch nur ein Haar vom Kopf fehlen. Wie ich schon sagte, ist er sehr streng, aber objektiv und deshalb schätze und respektiere ich ihn. Ich bin einfach nur glücklich ein Teil der JNA zu sein. Das ist ein schönes Gefühl! Ich vermisse dich sehr, aber dies ist auch nur vorübergehend. Oh, ich vergaß, dich zu fragen ob du fasten kannst? Ich weiß, dass Ramadan ist und du würdest dich sicherlich freuen mit mir einen Tag gemeinsam zu fasten! Das darf man hier nicht – ich darf dies bei Major Miletic gar nicht erwähnen. Solche Dinge sind streng verboten. So ist es halt für andere und für mich. Bald werde ich wieder nach Hause zu dir kommen. Mein Freund Igor sagte, dass er uns bei der ersten sich bietenden Gelegenheit besuchen würde. Er hat mich auch nach Belgrad eingeladen. So sind wir - wie Brüder!

Dies war nichts Neues. In allen Briefen hat man über Heimweh und Patriotismus berichtet.
 ABER.....

1991.
Es kommt langsam, aber sicher zum Konflikt über die Teilung Jugoslawiens – der Krieg steht schon vor der Tür. Wie Elhad sagte:“ Ich werde immer meine Heimat verteidigen – aber vor wem eigentlich jetzt??
Vor den gleichen Leuten für welche ich bereit war mein Leben zu geben. “ Lieber Gott!!!“
In Wahrheit aber war damals in Bosnien und Herzegowina den Wenigstens klar was bevorstehen würde! Viele von uns fühlten sich immer noch als Jugoslawen, obwohl wir bereits wussten, dass Jugoslawien als solches nicht mehr bestehen würde. Wir haben nie gewagt daran zu glauben, dass jemand mit dem wir morgens gefrühstückt haben, abends versuchen würde ein Volk zu vernichten. Der Soldat vom Anfang dieser Geschichte Elhad Karadzić, der sich nie Gedanken darüber machte wer ein Serbe, Kroate, Muslim, Roma oder Jude ist, war ein Teil der Geschichte, die im Jahr 1992 begann. Er war ein Zeitzeuge dessen, was mit den Männern muslimischer Religion in einer kleinen Stadt in Bosnien und Herzegowina geschehen war. Bis zu diesem Zeitpunkt schwor er auf den fünfzackigen Stern und er glaubte an Major Miletić  wie an seinem Vater!

“Zeuge der Wahrheit“ Elhad Karadžić

 
1992.
 
Guten Abend. Mein Name ist Elhad Karadzic. Ich bin ein lebender Zeuge für das berüchtigte Manjača Konzentrationslager, wo ich in der Zeit von 26.06 - 18.12.1992 war. Diesen Teil meines Lebens möchte ich lieber vergessen, aber es ist für mich einfacher meinen eigenen Namen zu vergessen als das Leid, welches sich tief in mein Leben verwoben hat. Oft, wenn ich im Gespräch meinen Nachnamen Karadzić erwähne, sorgt dieses für Interesse, da denselben Nachnahmen der Kriegsverbrecher Radovan Karadzić hat. Er befindet sich seit Jahren in Gefangenschaft des internationalen Gerichtshofs in Den Haag wegen der vielen Grausamkeiten, die die Serbische Armee unter seinem Kommando in ganz Bosnien und Herzegowina verübt hat.
Ich bin in Sanica im westlichen Teil von Bosnien und Herzegowina geboren, ca. 120 km von der EU-Grenze entfernt. Vor dem Krieg im Jahre 1992 lebte und arbeitete ich mit meiner schwangeren Frau in der Olympiastadt Sarajevo, der Hauptstadt von Bosnien und Herzegowina. Zum Kriegsbeginn in Sarajevo, wo viele Granaten von nahenliegenden Bergen auf die Stadt abgefeuert worden sind, wo sich unsere Feinde " das Militär und paramilitärische Einheiten" befanden, habe ich beschlossen in meine Heimatstadt zu gehen, um meine Mutter zu besuchen und ihr zu helfen.
In Sanica war es immer noch ziemlich ruhig, aber ich hatte das Gefühl (was in der Tat logisch war), dass der Krieg sich in kurzer Zeit über die gesamte Fläche Bosnien-Herzegowinas ausweiten würde. Trotzdem habe ich fest daran versucht zu glauben, dass der Krieg schnell zu Ende gehen würde und ich mit meiner Frau zurück nach Sarajewo zu unseren „alltäglichen“ Verpflichtungen kommen werde.
 
* Ich sagte unseren Feinden, nämlich des Militärs und paramilitärische Einheiten"
Ja, "militärischen und paramilitärischen Einheiten", die Selbearmee, desen Teil ich vor 6 Jahren selber war, auf welche ich geschworen habe und Major Miletić, dem ich wie einem Vater vertraute .Vielleicht hat er auch von dem Hügel geschossen. Das kann ich nicht behaupten, weil ich es nicht genau weiß. Aber, ich weiß dass die JNA sich mit paramilitärischen Einheiten (die nicht als „nur Serben“ genannt werden dürfen) verbündet hat! Angeführt von den ehemaligen JNA Offizieren (deswegen fällt mir der Name Major Miletic ein).
 
Warum nenne ich diese eine „Bande“ und bezeichne sie nicht als „Serben“? Weil ich hatte und habe sie noch heute, alte und neue Freunde serbischer Nationalität, mit denen ich weiterhin alles Gute teile. Mein Motto im Leben ist: „entweder du bist ein Mensch oder nicht“. Leider hat sich mein damaliger Freund Igor aus Belgrad nie bei mir gemeldet. Ich will nichts Schlechtes vermuten. Vielleicht ist der Mann zu weit weg von seiner Heimatstadt, so wie ich, und konnte sich einfach deshalb nicht melden. Mein Schicksal (der liebe Gott) hat mich dorthin, wo ich jetzt bin, geführt und ich bin ihm sehr dankbar dafür.
 
Freitagmorgen, 26. Juni 1992: ich saß in meinem Haus in Sanica mit meiner Mutter. Wir haben Kaffee getrunken und über diese verrückte Zeit, die nach Bosnien und Herzegowina gekommen ist, gesprochen. Plötzlich hörten wir eine laute Salve vor dem Haus. Ich muss zugeben, dass ich Angst hatte. Ich wollte aber nicht, dass meine Mutter die Angst in mir bemerkt. Die Mutter hielt ihren Kopf schräg mit ängstlichen Augen: „Lieber Elhad, was ist das?“ Im selben Moment hat jemand unsere Hoftore aufgebrochen. Wütende Stimmen riefen: „Alle Männer, die sich in dem Haus befinden müssen rauskommen.
Wenn Sie nicht rauskommen und wir euch in dem Haus finden, werden wir sie töten!“
Mutter sah erschrocken zu mir auf.
Leise sagte ich: „Das ist eine Bande von Četniks. Ich werde rausgehen und schauen was passieren wird.“ Als ich rausging, sah ich gegenüber von unserem Haus an der Kreuzung eine Gruppe von Menschen aus meiner Nachbarschaft. Ich wollte nicht gewaltsam zur der Gruppe der Nachbarn hingebracht werden, so näherte ich mich und stellte mich neben sie. Bald erhielten wir den Befehl, mit den Händen auf dem Rücken und gesenktem Kopf zu stehen. Wir durften uns nicht bewegen und auch nicht miteinander reden.
 
Diese schrecklichen Menschen (Unmenschen), jetzt muss ich es leider erwähnen - waren serbischer Nationalität. Meine muslimischen Nachbarn und ich wurden zu einem nahe gelegenen serbischen Dorf gebracht. Nach drei Tagen haben sie uns alle in Lastwagen gepackt und auf den Berg Manjača gefahren. Für diejenigen, die den Berg nicht kennen, Manjača ist ein Berg im nördlichen Teil von Bosnien und Herzegowina. Es liegt in der Gemeinde von Mrkonjić Grad und Banja Luka. Dort wurde ein berüchtigtes Lager aufgebaut und darin wurden die Männer muslimischer Religion gefoltert und gequält. Es war Sommer. Es war sehr heiß. Keiner von uns wusste was geschach und wo man uns hintransportieren würde. Wir durften keine Fragen stellen, wo und zu welchem Zweck sie uns mitnehmen, weil die meisten dieser Unmenschen, die uns gefangen hielten, sehr wütend und wild waren. Als wir in das Lager Manjača kamen, sah ich Ställe mit Stacheldraht und eine Vielzahl bereits sehr ausgehungerter und kränklicher männlicher Gefangener. Vor dem Eintritt in das Lager - leider muss ich es wieder betonen – haben uns die serbischen Soldaten "einer ärztlichen Untersuchung" unterzogen! "Ärztliche Untersuchungen" sahen so aus, dass man auf uns draufschlug; uns war immer noch nicht klar , was mit uns geschieht. Die haben uns ausgeplündert und ausgeraubt, alles was Ihnen an schrecklichen einfill.  Die Vorgehensweise, die sie ständig durchgeführt haben, wird "ärztliche Untersuchung" genannt, um mit der Genfer Konvention konform zu sein.
Das Manjača Lager hatte sechs Scheunen, in denen normalerweise Kühe standen. Jetzt waren in jeder Scheune zwischen 600 und 700 menschlicher Gefangener. Jeder, auch ich, lag  auf dem Betonboden und wartete auf die „Barmherzigkeit“ serbischen Soldaten. Das WC stand in der Ecke und bestand aus zwei Fässern. Ich sagte bereits, dass unsere Inhaftierung im Sommer war und die Hitze unerträglich war. Viel schlimmer als in den vergangenen Sommern. Können Sie sich vorstellen unter welchen unhygienischen Bedingungen wir gefangen gehalten wurden? Unsere „Freizeit“ dort teilten wir miteinander. Wir haben über dies und jenes gesprochen, über unsere Familien, die Heimat und da wir ständig Hunger hatten, haben wir über Kochkünste unserer Frauen geredet. Dieses Problem kam wahrscheinlich von dem enormen Verlangen nach Essen .
Im Lager aßen wir zweimal am Tag. Zum Frühstück war das eine halbe Tasse Tee ohne Zucker und je eine dünne Scheibe Brot mit Speck. Zum Mittagessen gab es einen Teller Bohnen oder Reis ungewürzt sowie eine dünne Scheibe Brot. Diese Mahlzeiten gab es sechs Monate lang. Einmal zählte ich wie viele Tage ich nicht auf dem Klo gewesen bin! Es waren genau 26 Tage! Es war ein wirklich unangenehmes Gefühl. Manchmal fühlte ich, dass mein Bauch ein Behälter für geschmackloses Essen war.
Das Leben im Lager war wirklich schwierig. Wir verbrachten Tage in der Scheune oder vor der Scheune. Wir wurden regelmäßig bestraft/gefoltert, wenn wir uns getrennt hatten oder wenn wir an der falschen Stelle saßen. Das war reine Willkür! Manche Leute sind einfach verrückt geworden! Es war schrecklich, solche Menschen um sich herum zu sehen und diesen nicht helfen zu können. Ohnmacht, Elend und Krankheit hat die Männer am stärksten betroffen. Ich wollte ständig denjenigen helfen, aber ich hatte nie eine Möglichkeit dazu gehabt. Es standen jeder Zeit Wachen in der Scheune und haben das ganze Geschehen im Auge gehabt! Außerdem hatte man während des Lagers und neben der Qual trotzdem noch den Gedanken an seine Liebsten: „Was ist mit meiner Familie?„
Was ist mit meiner schwangeren Frau? Was ist mit meiner Mutter?
Sind sie überhaupt noch am Leben??“

In diesen Momenten habe ich mich bei Gott bedankt, dass er mir doch die Kraft und Stärke gegeben hat und eine positive Lebenseinstellung. Ich habe mir immer vor Augen geführt, dass es ein Ende geben wird und es Licht am Ende des Tunnels gibt. Wie ich schon sagte, ich war immer ein Optimist und jeder wusste dies. Ich habe aber bereits erwähnt, dass ich kein Konzept hatte anderen zu helfen, wenn diese Schwierigkeiten hatten. Aber mein Trost hat manchmal Früchte getragen. Es gab noch ein paar optimistische Gefangene und wir haben uns oft aus dem Leid heraus gegenseitig Witze erzählt. Ich erinnere mich an einen Witz den einer der Gefangenen erzählte; wir haben  dann so viel gelacht, dass wir deswegen fast von den Wachen geschlagen wurden.

Ein Mann starb und musste vor Gott treten! Gott empfängt diesen und sprach zu ihm:
jetzt blicken wir auf dein Leben und deine Taten zurück, wo sollen wir dich hinschicken,
in die Hölle oder in den Himmel? Der Mann dachte im selben Moment nach und fragte:
Ist Deutschland auch in der Auswahl ?!

 
Ich erinnere mich an den Moment, als uns das Rote Kreuz zum ersten Mal besucht hat. Es war im August 92! Das Rote Kreuz hat uns registriert und wir erhielten eine Mitgliedskarte. Zuerst fragte ich mich, was soll ich mit dieser Karte und was ist der Zweck der Karte. Im selben Moment fiel mir auf, dass es ein Beginn einer Rettung sein könnte; nach diesen Registrierlisten könnten sie uns gegen serbische Gefangene austauschen. Uns ist auch zu Ohren gekommen, dass es einige Lager gab, die von der Bosnische Armee organisiert wurden! Mein Optimismus hat automatisch eine neue Note bekommen und ich sagte zu mir:“Elhad (Sabur,)bleib ruhig! Du wirst zu 100% gerettet werden!“
Einige Insassen dachten, ich sei einfach verrückt geworden und für einige war ich ein Heilmittel für die Seele. Diese wollten mich singen hören!

Ich ging durch die Städte Bosniens, aber ich habe keinen Frieden in meinem Herzen gefunden,
Eine alte Erinnerung berührt meine alten Gefühle.

 
Die Mitgliedskarte mit dem Code, den wir erhalten haben, hat uns ermöglicht, Schriftverkehr mit der Familie zu beginnen. Ich konnte meiner Frau schreiben! Die Briefe, die wir schrieben oder empfangen haben, sahen wie folgt aus:

Elhad zieht aus der Hosentasche ein Brief raus, den er empfangen oder geschrieben hat.

 
Das ist ein originaler Brief aus dieser Zeit; er hat für mich eine unbeschreibliche  Bedeutung, einen historischen Wert! In diesem Brief gratuliert mir meine Frau zum 29. Geburtstag und sagt, dass es unserer Tochter gut geht. Ich habe sofort den Gedanken an meinen Geburtstag vergessen, als ich gelesen habe: “Unserer  Tochter geht es gut!“ Dieses Gefühl kann man nicht beschreiben. Ich bin in einem berüchtigten Lager allein, aber  das Gefühl war göttlich! "Ich habe eine Tochter!"
Nach dem ich das Lager verlassen hatte, fing ich an ein Buch meiner Erinnerungen an meine Mutter, an meine Frau, an das Lager und all mein Leiden, all meine Schmerzen und all mein Elend, dass ich in diesen sechs Monate erlebt habe, nieder zu schreiben. Das Buch heißt "Tränen meiner Mutter!"
 

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Und wie sieht es heute aus??? Heute befinden sich auch tausende Flüchtlinge aus Afrika und dem nahen Osten  auf dem Marsch nach Westen. Alle Flüchtlinge sehen ähnlich denen aus, die vor ca. 25 Jahren vom Balkan aus gekommen sind...
 
Wenn bisher die Kriege in ca. 40-50 Jahren entstanden, hat sich dieser Abstand sehr verringert.
Wir sehen heute täglich Kolonen der Flüchtlinge, aber wohin und wie lange???
 
Ich frage mich: “Wie lange?“
 
Geschichten wie auch diese: „ Zeuge der Wahrheit“, sind sehr wichtig, damit die künftigen Generationen lernen den Frieden und die Freiheit der Menschenrechte zu schätzen.
 
Vergebung der Opfer und Eingeständnis der Schuld des Täters ist unvermeidlich. Nur durch das gemeinsame Handeln kann man das Ziel erreichen, dass so etwas nicht wieder passiert.


Autor: Jasmin Osmanagic